010. Der Taufstein bei Oberkrinitz. E-Mail

(P. Wetzel im „Glückauf,“ 1881, No. 7.)


Auf einer unbedeutenden Anhöhe beim Dorfe Oberkrinitz, die früher einen schönen Buchenbestand trug, liegt ein unregelmäßig gestalteter Granitblock, welcher auf der Oberfläche eine große und fünf kleinere künstliche Vertiefungen zeigt. Von den letzteren gruppieren sich vier um die große in der Mitte befindliche Vertiefung, welche die Form eines Beckens hat, während die fünfte sich an der Rückseite des Steines befindet. Nach dem Becken öffnen sich drei kleinere sitzähnliche Aushöhlungen, und in eine von diesen mündet wieder ein noch kleinerer Sitz. Die Sitze sind so groß, dass Kinder bis zu 10 Jahren bequem darin Platz nehmen können, während der auf der Rückseite des Steines befindliche Sitz einen etwas größeren Umfang hat. Man nennt diesen großen Granitblock in der Gegend allgemein den „Taufstein“ und erzählt sich von ihm folgendes: Als vor langer, langer Zeit das Christentum sich auch in unserer Gegend Anhänger zu erwerben begann, konnte die Verehrung des wahren Gottes nur im geheimen geschehen, da sonst die heidnischen Priester den Christen ein sicheres Verderben bereitet hatten, besonders aber musste die Taufe geheim gehalten werden. Deshalb

suchten die wenigen Christen einsame, tief im Walde versteckte Orte auf, wo sie ungesehen und unbemerkt die heilige Taufe vollziehen konnten. Zu diesem Behufe wählten sich nun die Glaubensgenossen große, auf bewaldeten Anhöhen liegende Steine aus und arbeiteten in dieselben ein Becken zur Aufnahme des Wassers, drei Sitze für die drei Taufpaten und einen für den Täufling hinein. Der Taufstein bei Oberkrinitz soll nun von unsichtbaren Mächten beschützt werden, und niemand hat das Becken vollständig ohne Wasser gesehen. Ein alter Mann erzählte, er habe einmal eines Abends als junger Bursche mit seinen Freunden das Wasser gänzlich ausgeschöpft, doch als sie am nächsten Morgen nachgesehen, sei eine größere Menge Wassers in dem Becken zu finden gewesen als vorher, obgleich es die ganze Nacht nicht geregnet hatte. Schon oft hätten die Steinmetzen sich an den Stein gemacht, um ihn zu zerschlagen und zu verarbeiten, aber der „Uhamel“ (Unheimel?), mit dem in der Gegend auch die Mütter ihren Kindern drohen, um sie zur Ruhe zu bringen, habe sie stets auf den Arm geschlagen, so dass sie von der Arbeit hätten abstehen müssen. Der Taufstein werde deshalb jetzt von ihnen in Ruhe gelassen. Noch wird erzählt, dass in dem Wasserbecken Geld liege. Nach einer von Karl Morgenroth novellistisch bearbeiteten Sage (Nachrichtsblatt für Kirchberg und Umgegend 1869, No. 12 und 14) drangen einst die siegreichen Deutschen in ein verlassenes sorbisches Dorf ein, in welchem sie nur den heidnischen Oberpriester, einen silberhaarigen Greis, antrafen. Derselbe rief bei ihrem Eindringen den Zorn der Götter auf die verhassten Deutschen herab und empfing dafür alsbald den tödlichen Schwertstreich. Sein Enkel aber, welcher in der Hütte vergeblich auf ihn harrte, wurde von einem Deutschen an Sohnes statt angenommen, um zunächst getauft zu werden und in der Taufe statt seines Heidennamens Scop den christlichen Namen Johannes zu erhalten. Der junge Sorbe Johannes wurde später Priester und als solcher zog es ihn vorzugsweise zu seinen Stammesgenossen hin, denen er das Evangelium predigte. Auf seinen Wanderungen durch den Miriquidi forschte er nach den ehemaligen Bewohnern seines Heimatortes, ohne sie zu finden. Dabei wurde er selbst alt, und als er nun, ein Greis geworden, eines Tages an den Platz kam, wo der Taufstein liegt, lehnte er sein Haupt ermüdet an den Stein, welcher damals von einer alten Eiche beschattet wurde. Bald schlief er ein, und im Traume verkündete ihm Gott, dass er in der Nähe der Gesuchten sei, und alle zum Christentume bekehren würde. Als nun der Morgen anbrach, baute sich Johannes eine Hütte neben dem Steine und stellte in derselben ein einfaches Kreuz auf. Eines Tages trat aus dem Walde,

welcher seine Wohnung umschloss, ein junger Sorbe, der zwar in seinem Schrecken, hier jemanden anzutreffen, schnell umkehren wollte, aber durch die Freundlichkeit, mit welcher Johannes in seiner eigenen Sprache zu ihm redete, bewogen ward, zu bleiben. Es war der Sohn eines sorbischen Priesters, den Feinde des letzteren verfolgt hatten. Als sie aber gesehen, dass der Flüchtling durch den Sumpf und auf den Hügel, auf welchem sich noch heute der Taufstein befindet, eilte, da ließen sie ab, denn dieser Platz war als Sitz böser Geister gefürchtet. Von seinem Schützlinge, welcher Tage und Wochen lang bei Johannes blieb, erfuhr nun letzterer, dass in der Nähe eine slawische Ansiedelung und ein Götterhain sei und dass sich der junge Sorbe ebenfalls Scop nannte. Es stellte sich heraus, dass beide mit einander verwandt waren. Zuletzt sprach der junge Scop das dringende Verlangen aus, ebenfalls Christ zu werden und die Taufe von Johannes zu empfangen. Der Tag, an welchem die heilige Handlung geschehen sollte, war da, aber das Wasser fehlte, denn reines Wasser sollte es sein, und der umgebende Sumpf bot nur übelriechendes dar. Die Eiche, unter welcher der Stein lag, war noch vom vortägigen Regen nass und ein scharfer Wind ließ das Regenwasser auf den Stein fallen, der oben eine Vertiefung hatte, also ein Naturbecken war, somit war auch Taufwasser vorhanden. Freudig bewegt sagte der Täufling: „Hier ist Wasser, taufe mich!“ Und Johannes tat es im Glauben, dass dies nicht der letzte seines Ortes sei, den er taufe. So geschah es auch. Johannes begleitet seinen Schützling bis zur Hütte des heidnischen Priesters und war später oft ein Gast daselbst. Endlich wurde der alte Priester Scop selbst den Lehren des Christentums zugänglich, so dass er sich an demselben Orte taufen ließ, an welchem sein Sohn die Taufe empfangen hatte. Da nun die übrigen Sorben der Ansiedelung sahen, dass kein Opferrauch mehr aus dem Götterhaine aufstieg, verwunderten sie sich und forschten nach der Ursache. Nachdem sie dieselbe erfahren, wurden sie anfangs mit Zorn und Angst, später aber, als sie vernahmen, wie glücklich ihr früherer Priester und dessen Sohn geworden waren, mit Sehnsucht nach dem neuen Glauben erfüllt. So zog denn eines Tages eine große Menge Sorben hinaus nach dem Steine und empfing dort die Taufe. Die alten Widersacher des früheren Priesters Scop aber waren zurückgeblieben und zündeten unterdes die Hütten der jungen Christen an. Johannes wehrte ihnen, dafür Rache zu nehmen, sie ließen vielmehr die Heiden, welche sich 2 Stunden abwärts im Thale ansiedelten und den neuen Ort wie den alten nannten, ruhig abziehen. Da geschah es jedoch ein Jahr später, dass Blitze auf Blitze niederfuhren und das Heidendorf in Asche legten. Die christlichen Stammesgenossen im obern

Dorfe kamen helfend herbei und von dieser Liebe, welche Böses mit Gutem vergalt, wurden die Heiden erwärmt und ebenfalls für das Christentum gewonnen. Auch sie wurden an dem Taufsteine in den Christenbund aufgenommen. Aus den beiden sorbischen Ansiedelungen erwuchsen aber die Dörfer Ober- und Niederkrinitz.


Obschon unsere Sagen bestimmt von einem Taufsteine sprechen und die in ihm vorhandene größere Vertiefung als Taufbecken bezeichnen, so glaube ich doch, dass der Krinitzer Granitblock ein alter Opferstein ist und habe ich deshalb die sich mit ihm verknüpfenden Sagen dem ersten Abschnitte des Sagenbuchs angereiht. Bestimmend ist für mich seine offenbare Ähnlichkeit mit Blöcken im Fichtelgebirge, in Schlesien und andern Landesteilen, welche von den meisten Archäologen für Opfersteine angesehen, aber von dem Volke nicht immer als solche, sondern auch als Richter- und Teufelssitze, Teufels- und Hexenschüsseln u. s. w. bezeichnet werden. In den Schüsseln sammelten die Priester das Blut der geschlachteten Tiere und zum Opfer bestimmten Kriegsgefangenen, um dann vielleicht ihre Hände hinein zu tauchen und das umstehende Volk damit zu besprengen. Obschon Dr. H. Gruner (Opfersteine Deutschlands, Leipzig, 1881) die schüssel- und muldenartigen Vertiefungen als durch Einwirkung von Frost und Atmosphärilien, Gletschertätigkeit oder Wasserstrahlen entstanden erklärt, würde doch ihre spätere Benutzung zu Opferzwecken damit nicht ausgeschlossen sein, schreibt doch Dr. Gruner (S. 7) selbst. „Dass viele Steine zu solchem Zwecke gedient haben, soll nicht bestritten werden.“ Unsere zweite Sage vom Krinitzer Taufsteine fast übrigens die Hauptvertiefung ebenfalls als ein Naturbecken auf. Ganz unwahrscheinlich klingt in der zuerst mitgeteilten Sage die Deutung der übrigen Vertiefungen als Sitze für den Täufling und die Taufpaten. Die Täuflinge stiegen in der ersten christlichen Zeit wohl durchgängig ins Wasser und wurden untergetaucht, später, vom 8. Jahrhundert an, trat das Begießen und Besprengen an die Stelle des Untertauchens, obschon sich in der lateinischen Kirche das letztere teilweise noch bis ins 13. Jahrhundert erhalten hat. (Hauff, Bibl. Real- und Verbal- Concordanz, II. S. 748.) Es wäre dabei allerdings immer möglich, dass man am Krinitzer Taufsteine aus dem mittelsten Becken das Wasser geschöpft und damit den Täufling besprengt habe. Daraus aber, dass eine der Vertiefungen als Sitz für den Täufling bezeichnet wird, ergibt sich, dass der Taufstein bei Erwachsenen benutzt wurde. Wozu dienten dann aber die andern Sitze, da ja wohl bei der Taufe von Erwachsenen keine Paten nötig waren? Es kann nämlich angenommen werden, dass die Wahl von Paten zugleich mit der Kindertaufe gegen Ende des zweiten Jahrhundert in der christlichen Kirche Gebrauch wurde. Mir erscheint es darum wahrscheinlicher, in unserm Taufsteine einen heidnischen, entweder germanischen oder slawischen Opferstein zu erblicken, und zwar auch in Berücksichtigung der Sage von dem dämonischen „Uhamel,“ welcher ihn gegen Steinmetzen schützen soll. Von spukhaften Gestalten, welche alte Opfersteine schützen, erzählen auch andere Sagen. So befindet sich bei Mukwar auf einem Hügel ein Stein, von dem man sagt, dass auf demselben einst geopfert worden ist. Als den- selben einst ein Arbeiter zerschlagen wollte, sah er auf ihm eine Gestalt in langem, weißem Gewande sitzen. Vor Schrecken lief er davon und seit der Zeit hat niemand mehr Hand an den Stein zu legen gewagt. (Veckenstedt, Wendische Sagen und Märchen. Graz, 1880, S. 431.)



 
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