050. Die Jungfrau auf dem Braunstein. E-Mail

(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 44.)


Droben am Braunstein zwischen Schlackenwerth und Joachimsthal hat ein verwunschenes Schloss gestanden, das ist mit einer verwunschenen Jungfrau und vielen Schätzen versunken. Holt sie einmal ein recht frommer Mann, dann wird er mit ihr auch die Schätze heimführen. Der Petermüller unten hat es mit seinen eigenen Ohren zu Ostern jedes Mal in der Passionszeit gehört, wie da die Jungfrau im Berge drinnen geweint, und bald darauf hörte er auch einen solchen Engelgesang, wie ihn die Leute niemals vernahmen. Die Jungfrau hat noch niemand zu holen versucht. An einem heißen Augusttage des Jahres 1848 schritt um die elfte Vormittagsstunde ein Mann aus Joachimsthal heiteren Sinnes an der „Petermühle“ vorbei. Seine Verwunderung war nicht gering, als er bemerkte, dass die Müllerin, seine Verwandte, auf der unterhalb der Mühle gelegenen Wiese Heu wendete, da doch Sonntag war. Überzeugung kann nicht schaden, dachte sich unser Joachimsthaler und ging in die Mühle, um dort nach der Ursache zu fragen, dass die Frau des

Hauses heute am Sonntage, am Tage des Herrn, Heu mache. Doch welche Überraschung! Seine Verwandte stand gerade beim Ofen und bereitete das Mittagsmahl. Man eilte schnurstracks auf die Wiese, allein die Heumacherin, welche die Braunsteiner Jungfrau gewesen sein soll, war verschwunden. Derselbe Mann erzählte, dass sein Vater, als er Schafe hütete, die Braunsteiner Jungfrau habe herrliche Lieder singen hören. Drei Männern aus Mariasorg träumte einmal, sie sollten auf den Braunstein gehen, dort würden sie ungeheure Schätze finden, welche von einer verwunschenen Jungfrau bewacht würden. Als die Männer früh zusammen kamen, erzählten sie sich gegenseitig den seltsamen Traum und entschlossen sich, in der folgenden Nacht zwischen elf und zwölf Uhr auf den Braunstein zu gehen. Dort angelangt, fanden sie den Berg offen, gingen furchtlos hinein und erblickten wirklich eine große Pfanne mit Gold- und Silbermünzen und eine schöne Jungfrau, welche die Männer freundlich begrüßte und zu ihnen mit wohltönender Stimme sprach: „Diese Schätze gehören euch, doch müsst Ihr die Pfanne samt dem Inhalte auf einmal forttragen.“ Als aber einer der Männer, der die Ausführung dieser Forderung für unmöglich hielt, seine Meinung unverhohlen zum Ausdrucke brachte, verspürten alle drei gleichzeitig eine so derbe Ohrfeige, dass sie besinnungslos zu Boden sanken. Als die Männer wieder zum Bewusstsein erwacht waren, machten sie große Augen, weil sie sich, in ihrer Hoffnung getäuscht, auf der Oberfläche des Berges befanden.



 
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