051. Der Schön-Jungfern-Grund bei Oberwiesenthal. E-Mail

(I. F. A. Türke im Glückauf, 2. Jahrg. No. 3. II. Ziehnert a. a. O. Anhang, No. 32.)


I. Wer von Neudorf nach Oberwiesenthal wandert und die Richtung durch den Wald nach dem Fichtelberge einschlägt, kommt nach seinem Austritt aus dem Walde zuerst bei dem roten Vorwerke, so dann auf der andern Seite bei dem weißen Vorwerke vorbei und hierauf an den Schön-Jungfern-Grund, einen tiefen, von der Höhe des Fichtelberges beginnenden und sich nach Osten ziehenden Einschnitt. In diesem Grunde liegt oft der Schnee in den Wintern viele Meter tief und zeigt noch schmutzigweiße Reste im Spätfrühling, wenn längst schon Feld, Wiese und Wald sich grün geschmückt haben. Die Sonne kann ihm nicht gut beikommen und das herabrieselnde Gewässer kann nur den tiefliegenden fortbringen. So erklärt es der gewöhnliche Verstand. Die Sage weiß es anders und zwar so: Vor langen Zeiten

stand hier ein schönes Schloss und darin wohnten noch schönere Burgfräulein.

Darauf kamen böse Raubritter, zerstörten das Schloss und ermordeten die schönen Jungfrauen. Sie leben aber doch noch, wohnen im Innern des Berges und bleichen im Frühlinge ihre Leibwäsche.

II. Der Jungferngrund soll seinen Namen von zwei Jungfern haben, welche sich oftmals im Neumond sehen lassen. Es sind Schwestern, die eine spielt auf der Laute und die andere windet einen Kranz. Wer sie eigentlich sind, weiß niemand. Den Wiesenthalern dient der Jungferngrund auch als Wetterprophet. Denn wenn der Himmel über demselben hell ist, so wird – ob es auch sonst allenthalben trübe aussieht - zuverlässig schönes Wetter, wenn aber der Jungferngrund voll Nebel ist, so sagt man: Die Jungfern trocknen ihre Wäsche! Und dann folgt kalte und nasse Witterung.



 
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