132. Die Puppe von Brand. E-Mail

(E. H. Müller, Beschreibung der Bergstadt Brand, 1858, S. 119 ec.)


An die ältere Geschichte des Gasthofes zum Erbgericht in Brand knüpft sich folgende Sage: In früheren Zeiten war eine wohlhabende Witwe im Besitze dieses Erbgerichts. Dieselbe übertrug den ganzen Reichtum ihrer Liebe auf ihre siebenjährige Tochter, und an einem Weihnachtsfeste wollte sie derselben eine seltene Freude bereiten und schenkte ihr eine Puppe, die mit der Tochter von fast gleicher Größe war. Als aber das Töchterchen die Puppe erblickte, zeigte es mehr Furcht als Freude, und auch an dem folgenden Tage mochte das Kind die Puppe nicht sonderlich anschauen, vielmehr wurde es krank und starb noch in den 12 Nächten an dem bösen Scharlachfieber. Als einen Ersatz ihres geliebten Töchterchens nahm nun die Witwe die Puppe zur Hand, kleidete sie an mit den Gewändern der Verstorbenen, ließ sie neben sich auf einem besonderen Stuhle sitzen, setzte ihr Speisen und Getränke vor und sprach mit ihr wie mit einem Kinde. Eine Magd musste die Puppe aus- und anziehen und regelmäßig ins Bett bringen. Ja die Frau ging allen Ernstes mit dem Plane um, einen Hauslehrer für ihren Liebling zu berufen, als der Tod ihrem wunderlichen Treiben ein Ende machte. Seltsame Gerüchte verbreiteten sich über ihr Dahinscheiden, feierlich wurde sie zur Erde bestattet und mit Grauen gedachte man der Puppe, die still in ihrer Lade lag. Allein nach dem Begräbnisse der Hausmutter hatte dieselbe keine Ruhe mehr, in nächtlicher Weile stand sie auf, suchte ihre Kleider, die der neue Besitzer an sich genommen, und lief im ganzen Hause umher, so dass jeder Einwohner sich in der Nacht nicht getraute, über die ängstlich verschlossene Kammer zu schreiten. Selbst an Sonn- und Festtagen, wenn sich das junge Volk durch Spiel und Tanz ein Vergnügen bereitete, trippelte sie hinter den kräftigen Bergburschen und den rotwangigen Mädchen her, so dass man anfangs floh, später aber, an die Erscheinung gewöhnt, sich nicht sonderlich mehr stören ließ. Der Wirt aber nahm sich ernstlich vor, dem Spuk ein Ende zu machen. In St. Michaelis wohnte nämlich in einem einsamen halbverfallenen Häuslein ein alte triefäugige Frau, von der man behauptete, es sei nicht ganz richtig mit ihr, auch habe man in ihrer Stube einst ein Geschöpf, einer Fledermaus ähnlich, bemerkt. Sie wurde nur die Haldenhexe genannt. An diese Person wandte sich der Wirt in seiner peinlichen Lage, und sie versprach unter seltsamen Geberden die Puppe in der Lade. Allein die Geschichte scheint nicht geholfen zu haben,

vielmehr rumorte die Puppe mehr als je, und es schien ihr gar nicht in der zugenagelten Lade zu gefallen. Kurze Zeit darauf kam auch das letzte Stündlein der Hexe und sie starb eines rätselhaften Todes. In seiner Not wandte sich nun der geplagte Erbgerichtsbesitzer an den Ortsgeistlichen in Erbisdorf. Der Pastor erschien, las einige lateinische Gebete vor, beschwor die Gestalt und schloss mit den Worten apage satanas! Darauf entfernte sich der Geistliche. Unterwegs aber hörte er ein leises Husten und als er sich umdrehte, tanzte die Puppe spottend hinter ihm her, so dass er voll Grausen eilends nach Hause lief und Tür und Tor fest zuschloss. Und so blieb denn die Puppe ungebannt im Hause. Lange Zeit wohl mochte sich dieselbe ruhig verhalten haben, bis sie dann endlich wieder mit ihrem Spuke auftrat. Ihrem Treiben sollte aber nunmehr ein baldiges Ende bereitet werden. An einem sonnenhellen Nachmittage wurde die Lade mit allem Zubehör auf einen Schubkarren geladen und von einem Tagelöhner dem dunklen Spitalwalde zugefahren. Je näher er demselben kam, desto schwerer wurde die Lade, so dass ihm der Schweiß von der Stirne rann. Unter einer Birke machte er ein Loch, einige Fuß tief, doch war ihm bei dieser Arbeit nicht ganz wohl, denn der Himmel umzog sich mit dunklen Wolken, Blitze leuchteten durch des Waldes Düster und in der Ferne rollte der Donner. In aller Eile setzte er die Lade in das gegrabene Loch, schaufelte Erde darauf, bedeckte es mit Rasen und begab sich nun eiligst auf den Rückweg. Je näher er an Brand kam, desto eiliger hörte er hinter sich trippeln und trappeln und als er sich auf einen Augenblick umsah, erblickte er zu seinem Entsetzen die begrabene Puppe mit hellleuchtenden Augen. Außer sich vor Schreck kam er halbtot nach Hause, aß und trank nicht und legte sich zu Bette. Das hitzige Fieber übermannte ihn und schon nach drei Tagen war er eine Leiche.

Seit jener Zeit hat man von der gespenstischen Puppe nicht mehr viel vernommen. Als jedoch das Erbgericht neu aufgebaut wurde, wollen einige Bauleute dieselbe gesehen haben, wie sie auf den halbvollendeten Mauern herumgesprungen sei, und man sagt, dass sie heimlich samt der Lade wieder aus dem Spitalwalde hereingeschafft worden wäre.



 
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