144. Der Zwergtanz im Kupferhügel. E-Mail

(Friedr. Bernau in der Comotovia, 1877, S. 77.)


Drei Bergleute fuhren einst an, um die Erze aus dem tiefsten Schachte zu holen. Um jene Zeit waren noch reichhaltige Gruben im Kupferhügel, vorzüglich auf Kupfer und Eisen, wie es noch die vielen Schachte und unterirdischen Gänge in demselben beweisen. Fleißig und frohgemut arbeiteten nun die Bergleute in den Felsen hinein, um ihn zu zerkleinern und die Erze daraus zu gewinnen. Noch waren sie nicht mit einer Schicht fertig, als sie plötzlich durch eine liebliche Musik, die aus dem Innern des Berges zu kommen schien, überrascht wurden. Alle gerieten in Spannung und Freude. „Wahrhaftig“, sagten sie zu einander, „eine so schöne Musik haben wir noch nie gehört, selbst am Prokopitage nicht, wenn wir Schritt für Schritt, angetan mit unserer festlichen Bergkleidung, die Hacke und die brennende Lampe in der Hand, hinter unserer Bergmusik zur Kirche ziehen!“ Um den Berggeist, wie sie glaubten, in seiner Unterhaltung nicht zu stören, schickten sich die Bergleute schon an, an den Tag zu fahren, als sie von der Seite her, von welcher die Musik kam, eine Menge kleiner Männchen, kaum größer als eine Menschenhand, auf sich zukommen sahen, die mit den verschiedenartigsten Musikinstrumenten versehen waren. Hinterdrein zog ein munterer Schwarm von Zwergen, die unter fröhlichem Hüpfen endlich in einem großen Felsengewölbe Platz nahmen. Bald kamen auch einige Zwerge naher zu den Bergleuten,

grüßten sie freundlich mit dem Bergmannsgruße „Glückauf!“ Und sagten. „Ruhet aus und seid fröhlich mit uns, was Ihr versäumt, das wollen wir euch nach dem Tanze nachholen.“ Flink legten die Bergleute ihre Werkzeuge bei Seite, denn sie waren schon müde von der anstrengenden Arbeit, und folgten gerne der zutraulichen Einladung. Alles freute sich und war guter Dinge. Die Zwerge tanzten, und die Bergleute schauten ihnen vergnügt zu, so dass oft der Berg sich mit den beglückten Bergleuten zu drehen schien. Endlich erhob sich eines der kleinen Männchen, gab ein Zeichen mit der Hand und alles stellte sich in einem enggeschlossenen Kreise auf, in den auch die Bergleute eintreten mussten. Die Musiker befanden sich in der Mitte und es schien, als ob sie erst jetzt recht ergreifend spielen wollten, wohlgeordnet und langsam setzte sich der Kreis, dem ein Vortänzer voranging, in Bewegung, die Bewegung wurde unter dem seltsamen Hüpfen, Springen und Laufen immer schneller. Bald standen die Zwerge stille, schienen sich zu bedenken, dann fingen sie plötzlich wieder an, mit Händen und Füßen zu zappeln, dabei sprangen sie in die Höhe, der eine über den andern, bis alle in größter Unordnung waren. Die drei Gäste konnten sich des lauten Lachens nicht erwehren, was die Zwerge in ihrer Lust auch ungestraft ließen. Endlich setzten sich alle wieder auf ihre Plätze, nur ein altes, ganz graues Männlein trat zu den Bergleuten, strich mit seiner flachen Hand über deren Augen, die also bald erblindet zu sein schienen, dann nahm es die Bergleute bei der Hand und führte sie eine ziemliche Strecke aufwärts, bis sie in eine Kammer gelangten, wo sie rasch wieder sehend wurden. Hier ergriff sie nun das höchste Staunen, denn das ganze Gewölbe war mit goldenen Platten belegt, Gold- und Silberstangen lagen da aufgeschlichtet, wie daheim die Späne in der Küche, die Tische beugten sich unter der Last von Edelsteinen, die ein blendendes Licht verbreiteten. Die Bergleute standen da wie versteinert. Endlich nach langem Schweigen sprach der Alte zu ihnen: „Nehmet euch nun, was Euch nützlich ist, Ihr sollt damit so lange glücklich sein, als Ihr dabei fleißig und sparsam bleibt, tut Ihr das nicht, so werdet Ihr trotz des Reichtums noch elend sterben müssen.“ Ein jeder nahm nun so viel, als er in beide Hände bringen konnte, und bald befanden sie sich wieder unter den kleinen Männchen, die während der Zeit, als die Bergleute in der Goldkammer waren, für sie gearbeitet hatten. Mächtige Kupferadern waren aufgeschlossen und große Haufen Erze herausgearbeitet. Als die Bergleute den Zwergen danken wollten, war alles verschwunden, nur aus der Ferne hörte man noch die bezaubernde Musik. Bald begaben sich auch

die Bergleute, da es doch schon Nacht sein musste, auf die Fahrt, um heimzukehren, um so größer aber war ihr Erstaunen, als sie die Sonne im Osten aufgehen sahen und von den Leuten erfuhren, dass schon der fünfte Tag verflossen war, seitdem sie in die Grube gestiegen. Dennoch glaubte ein jeder von ihnen nur geträumt zu haben, allein die großen Goldstücke in ihren Händen überzeugten sie eines anderen. Ein jeder von ihnen kaufte sich ein Häuschen und lebte glücklich mit seiner Familie. Nur einer wurde stolz und glaubte nicht mehr arbeiten zu sollen, wofür ihn, wie der Zwerg gedroht hatte, das Los bitterster Armut traf, die beiden andern arbeiteten fleißig wie früher und erinnerten sich in ihrem Glück oft an den alten grauen Zwerg, den Begründer ihres Wohlstandes. Noch heute zeigt man im Kupferhügel Spuren jenes Gewölbes und heißt dieselben seit dieser Begebenheit „die Zwergkammer.“


Die Zwerge sind elbische Wesen, welche für sich ein eigenes Reich bilden und durch Zufall oder Drang der Umstände bewogen, mit den Menschen, denen sie helfen oder schaden können. verkehren, sie sind jedoch meist wohltätig und hilfreich. Die Liebe zur Musik verknüpft sie mit höheren Wesen, besonders mit Halbgöttinnen und Göttinnen. Ja eine Stelle in einem mittelhochdeutschen Gedichte. „da sassen fidler und videlten all den albleich, spricht ihnen die Erfindung einer eigenen Weise zu. Neben der Musik lieben die Zwerge besonders den Tanz. Elbe tanzten des Nachts im Mondschein, und aus der Erscheinung tanzender Berggeister prophezeite mau ein gesegnetes Jahr. (Grimm, Deutsche Myth., S. 264.) Auch die Ludki, die Zwerge der wendischen Sage, waren Spielleute und besuchten als solche und manchmal auch als Tänzer die Feste der Menschen, wobei sie Geschenke mitbrachten. (Haupt, Sagenbuch ec. I., No. 43.)



 
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