219. Der Katzenveit im Kohlberge bei Zwickau. E-Mail

(Ein gründlicher Bericht vom Schnackischen Katzen-Veite. Als einem weecklichen und wüecklichen Abentheure beym Kohlenberge im Voigtlande ec. An den Tag gegeben von Steffen Läusepeltzen, aus Ritt mier ins Dorff. o. O. u. I. (1651.) Daraus bei Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 616.)


Um den Kohlberg bei Zwickau soll sich ein Gespenst sehen lassen, welches seiner lustigen Streiche wegen viele Ähnlichkeit mit dem Rübezahl hat und der Katzenveit heißt. Jener Berg hat seinen Namen von

den Steinkohlen, die er enthält und soll seit dem Jahre 1479, wo einmal ein Jäger einen Fuchs gehetzt und nachdem er solchen verfolgt, sein Gewehr von ohngefähr in eine Grube losgebrannt, innerlich brennen. Wer jener Katzenveit ursprünglich gewesen, darüber sind vielerlei Vermutungen aufgestellt worden. Unter anderem sagt man, er sei einst ein sehr ungetreuer Schösser oder Statthalter der Hessen, also ein Katten-Vogt gewesen, habe aber so viele Gelder und Einnahmen unterschlagen, dass er nach seinem Tode nicht habe ruhen können, sondern immer spukend umgegangen sei, bis er von einem Hexenmeister und Teufelsbanner in diese Wildnis verbannt worden, weil er sich nun nicht unter diesem Berge wolle bergen lassen, sondern sich über die schwere Last beschwere, so bewege er den Berg und speie aus Bosheit und Gift Feuer von unten in die Höhe. Am meisten lässt er sich zur Zeit des St. Veitstags spüren, wo die Sonne in das Zeichen des Krebses tritt. Von ihm werden nun verschiedene lustige Streiche erzählt.

So zog einst in einem vogtländischen Städtchen ein fremder Hausierer mit Brillen und einer Menge Kurzwaren herum und betrog die Leute durch seine geschickte Redegabe um ihr Geld und hing ihnen dafür seinen unnützen Kram auf. Das verdross den Katzenveit, der gerade dort herum strich, gewaltig, er kaufte ihm also ein hölzernes Pfeifchen für 15 Pfennige ab, obgleich jener 18 gefordert hatte, und versprach ihm noch mehr Waren abzunehmen, wenn er mit sich handeln ließe, betastete dann jedes einzelne Stück und steckte es wieder an seinen Ort, worauf er, angeblich um Geld zu holen, sich entfernte. Sobald er aber weg war, da hatte sich der ganze Kram des Hausierers in Seile, Stricke, Stränge, Sackbänder, Peitschenschnüre und Bindfaden verwandelt und an seinem Halse befand sich ein natürlicher Diebsstrang, an dem ein kleiner hölzerner Galgen baumelte. Da stand nun Matz Flederwisch ganz bestürzt da und wunderte sich, dass er auf einmal aus einem Materialisten ein Seiler geworden.

Einst hatte ein geiziger Bauer seinen ganzen Sinn auf die Bienen gestellt und wo er nur einen Schwarm vermutete, derselbe mochte nun von den Seinigen abgezogen oder anders woher gekommen sein, da hat er seinen Korb angeschlagen. Das hat den Katzenveit schwer verdrossen. Er hat sich also in Gestalt eines Bienenschwarms an einen Baum gehängt und ist von dem geizigen Bauer schnell in den Bienenkorb geschlagen worden. Als derselbe nun nachsehen will, wie sich der Schwarm im Gefäße gebärde, da wird er gewahr, dass die vermeinten Bienen schon darin gearbeitet, Zellen und Honig gesetzt haben. Darüber hat er sich erst sehr verwundert, aber als er näher zuschaut, findet er, dass der vermeintliche Honig stinkender Kot sei, welchen ihm eine im

Stocke sitzende Eule mit den Flügeln ins Gesicht schleuderte, dann herausfuhr und auch seine übrigen Bienenstöcke, 200 an der Zahl, mit entführte, der Bauer aber, der ihr nacheilte und sie aufhalten wollte, brach vor lauter Eifer beide Beine.

Ein anderes mal kam ein fremder Botaniker auf den Kohlenberg und dachte dort kostbare Pflanzen zum Goldmachen zu finden, zu dem gesellte sich der Katzenveit als Kräutermann gekleidet und nannte ihm das reife Silberblatt, Pfennigkraut, Tausendgüldenkraut, Goldblümchen, Frauenmütze ec. als lauter Kräuter, die Gold brächten. Der Tor grub nun alle diese Kräuter aus, weil er meinte, Gold unter ihnen zu finden, allein er fand nichts, und als er mit seinem Funde schnell nach Hause eilte, brach er unterwegs den Arm, ja er erschlug zu Hause in der Hitze seine Frau, die ihn ausgelacht hatte, und grämte sich dann teils deswegen, teils weil er aus den Wurzeln nicht reich geworden war, zu Tode.

Einst ist er nach Tripstrille als Kammerjäger gekommen und hat vorgegeben, er könne Ratten und Mäuse vertreiben. Dafür hat man ihm eine Partie schöner Taler versprochen, allein als er das Ungeziefer weggebannt, ihm solche nicht ausgezahlt. Da ist er nach Art des Rattenfängers von Hameln wiedergekommen und hat alle Katzen der Bürger, deren 666 gewesen sein sollen, aus der Stadt geführt, und seit dieser Zeit sollen dort keine Katzen mehr fortkommen. Einmal hat ein Saufbruder vor Pfingsten Maien beim Kohlberge geholt und in seine Behausung gebracht, in Willens, eine grüne Lust dabei zu genießen und seine Biergötzen damit zu beehren, das hat den Katzenveit, der der rechte Waldmeister und Baumherr ist, schwer geärgert. Wie nun solcher Birkenschmuck hin und wieder in der Stube ausgebreitet und damit gleichsam eine Laubhütte gemacht worden war, da wird das Bierfass hereingeschleppt, in die Mitte gestellt und der Saufbartel und seine Freunde setzen sich auf Schemeln rund herum und gießen so einen Becher nach dem andern in die Gurgel hinab und bringen sich einen Toast nach dem andern zu. Auf einmal fängt aus dem Laube ein Kuckuck zu schreien an, was ihnen anfänglich gar närrisch vorkommt, darauf fängt ein Storch an zu klappern und endlich singt die Nachtigall ihr Runda Runda Dinellula. Da erschrecken sie bald ein wenig und wissen nicht, wie ihnen geschieht, denn bald werden sie gezupft und sehen doch nicht, woher es kommt, bald schwingen und schütteln sich die Maien und schlagen auf die Tagediebe los, dass sie Zeter und Mordio schreien und aus der Stube hinweglaufen. Gleichwohl hoffen sie, der Spuk werde sich bald wieder verlieren, damit sie zu ihrem Gelage zurückkehren können. Sie gucken darüber zum Fenster

hinein, siehe da waren aus allen Maien junge Mägdlein geworden, welche schöne Gläser in den Händen hatten. Da sprangen alle eilig wieder in die Stube, fassten sie an und sprangen mit ihnen um das Bierfass herum. Wie sie sich aber ein wenig umschauen, da haben die Damen Teufelsklauen an Händen und Füßen, ein großes rundes Auge mitten im Kopfe und an diesem Ziegenhörner. Ei, wie teuer wurde ihnen jetzt das Lachen, wie gern wären die Hengste jetzt hinaus und davon gewesen! Aber sie mussten ausharren und bei etlichen Stunden also herumhüpfen, dass ihnen der Angstschweiß an allen Orten ausbrach und sie endlich für tot niedersanken. Zwar haben sie sich bald wieder erholt, aber ihre lose Pfingstlust war ihnen für immer vergangen.

Oft zog der Katzenveit als fahrender Schüler im Lande herum und foppte die Wirte. So kam er einst als armer Student zu einer Wirtin und legte sich ohne Weiteres in ein schönes Gastbett. Sie aber trieb ihn heraus, er aber stahl ihr das Bett und verkaufte es. Ein anderes mal sah er, dass eine Schankwirtin gebratene Tauben am Spieße stecken hatte, als sie nun aus der Küche abgerufen ward, huschte er hinein, nahm sie mit sich und aß sie ungescheut in der Stube am Tische auf. Wie nun die Frau das sah und ihr Eigentum vermisste, fragte sie ihn, wie er zu den Tauben komme, und er antwortete: „Wie kommt der Tag zum Winde (sintemal es gerade sehr stürmte) ?“ Damit nahm er die andere gestohlene Taube beim Kopfe und fraß sie auch auf. Endlich kam er einst in ein Dorf, wo ein geiziger Pfarrer wohnte, der niemandem etwas gab, sondern alle Ansprechenden entweder selbst, in einem dicken Bauernpelz vermummt, oder durch seine Leute oder mittelst seines Kettenhundes forttrieb. Bei diesem trug er sich so an, als gehe er auf Freiersfüßen und wolle seine Tochter ehelichen. Da nahm man ihn mit Freuden auf, der Vater ließ etliche Tauben zurichten und braten und die Mutter lief etliche Male vom Feuer weg und ließ die Küche leer stehen. Nun zog er schnell mitgebrachte junge, abgerupfte Raben aus dem Ränzel, lief zum Herde, spießte sie an und so wurden sie zusammen fertig. Als sie aber aufgetischt wurden, da partierte er letztere auf den Teller des Pfarrers und seiner Frau, und kehrte es also, dass die rechten Tauben auf den seinigen kamen, dann aber machte er sich, nachdem sein Appetit gestillt war, aus dem Staube.

Einst fragte man ihn, warum jetzt alles so teuer sei, und er antwortete, es gebe jetzt mehr Tribulierer und Flegel als sonst, besonders junge Drescher, die Prokuratoren hießen und sich für ihre Dienste allemal zuvor bezahlt machten, also, dass wenig in den Scheunen blieb.

Das hörte zufällig ein Advokat, der dabei stand und sprach: „Ganz recht mein Knecht!“ Und indem er ihn bei der Hand fasste, sagte er: „Ich greife nach dem Flegel und marschiere auf die Tenne in Willens, den Rest vollends auszuklopfen und darauf zu schlagen, bis ich das Stroh aufreibe.“ Aber jener nicht faul, packte den Rabulisten bei der Kartause, fuhr ihm erstlich übers Maul, warf ihn dann zu Boden und sprach: „Halt, Geselle, ich muss dich ein wenig zudreschen!“ Und indem schlug er mit allen beiden Klöppeln auf die ungegerbte Garbe los, dass das Schrot und Korn haufenweise (denn der Geizhals hatte eben einen Haufen Geldes bei sich) aus dem Strohjunker heraussprang, also dass der neue Drescher nicht allein eine große Ernte an ihm hielt und seine Säckel anfüllte, sondern auch die Zuschauer eine gute Nachlese halten konnten, weil der Katzenveit ihn wund geschlagen. So hatte der Patient keinen Beweis, seinen Beleidiger zu verklagen, und damit zu wuchern, sondern er musste die Stöße hinnehmen, als hätte ihn ein Hund gebissen.


Es ist bereits in der Einleitung zu diesem Abschnitte auf die Ähnlichkeit des erzgebirgischen Katzenveit mit dem Rübezahl des Riesengebirges hingewiesen worden. Unter den derben Neckereien des ersteren erinnert z. B. die mit dem kotigen Bienenkorbe an eine Sage von Rübezahl, derselbe verkaufte nämlich Bienenkörbe, welche mit Menschenkot bestrichen waren. (Das Riesengebirge in Wort und Bild, 4. Jahrg 1. und 2. H., S. 11.) Beiden Sagengestalten ist die Fähigkeit, verschiedene Gestalten anzunehmen, sowie Gegenstände zu verwandeln, gemeinsam.



 
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