221. Das Jüdel. E-Mail

(Lehmann, Hist. Schauplatz, ec. S. 930. Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen No. 561.)


Man kennt im ganzen Erzgebirge ein Kindergespenst, das sogenannte Jüdel (richtiger „Gütel“, von gut) oder Hebräerchen und erzählt, dass, wenn die kleinen Wochenkinder während des Schlafs die Augen halb auftun, die Augäpfel in die Höhe wenden, als wollten sie etwas sehen, dabei zu lächeln scheinen und dann wieder fortschlafen, manchmal auch zu weinen anfangen, dass das Jüdel mit ihnen spiele. Damit nun aber die Kinder nicht ferner von demselben beunruhigt werden, so kauft man ein kleines, neues Töpfchen samt einem Quirlchen, und zwar so teuer, als man es bietet, ohne zu handeln, da hinein wird von dem Bade des Kindes gegossen und es dann auf den Ofen gestellt und man sagt, das Jüdel spiele damit und plätschere das Wasser

so lange heraus, bis nichts mehr im Töpfchen sei. Andere blasen Eier aus den Schalen in des Kindes Brei und der Mutter Suppe und hängen solche hohle Eierschalen samt etlichen Kartenblättern und anderen leichten Sachen mehr mit Zwirn an die Wiege des Kindes, dass es frei schwebe. Wenn nun die Tür aufgemacht wird, oder es geht und bewegt sich jemand in der Stube, also dass die am Faden schwebenden Sachen sich in der Luft bewegen, so sagen die Weiber, man solle nur acht geben, wie das Jüdel mit den Sachen an der Wiege spiele. Wenn zuweilen die Kinder rote Flecke haben, da sagt man, das Jüdel habe sie verbrannt, dann soll man das Ofenloch mit einem Speckschwärtlein schmieren. Das Jüdel spielt aber auch des Nachts mit den Kühen, dann werden sie unruhig und brummen, macht man aber Licht an, so sieht man nichts. Ebenso geht es in die Pferdeställe und fängt an die Pferde des Nachts zu striegeln, dann werden dieselben wild , beißen und schlagen um sich , ohne dass sie sich des Gespenstes, welches auf ihnen hockt, entledigen können. Um das Jüdel als Hausgeist zu unterhalten, muss man ihm Bogen und Pfeile und Spielsachen in den Keller und die Scheune legen, damit es damit spiele und Glück ins Haus bringe. Wenn aber die Wöchnerin vor demselben ganz sicher sein soll, so muss ein Strohhalm aus ihrem Bette an jede Tür gelegt werden, dann kann weder das Jüdel noch ein anderes Gespenst herein.

Man will auch das nächtliche Fallen, welches einen Tod anzeigen soll, mit dem Jüdel in Verbindung bringen.

In Scheibenberg diente vor Jahren eine alte Magd, welche bei solchem nächtlichen Fallen sagte: „Gütchen, ich geb´ dir mein Hütchen, willst du den Mann, ich gebe dir den Hahn, willst du die Frau, nimm hin die Sau, willst du mich, nimm die Zieg´, willst du unsere Kinder lassen leben, so will ich dir alle Hühner geben!“ Es ist in Elterlein geschehen, dass man bei solchem gespenstischen Fallen eine Henne oder Ziege dem Ungetüme gegeben, auch solche Stücke des Morgens tot gefunden hat.


Das erzgebirgische „Jüdel“ ist das „Gütel“ (Heugütel) der vogtl. Sage, oder das „Hütchen“ in den deutschen Sagen der Brüder Grimm (I. No. 75.) Es ist ein guter, hülfreicher Hausgeist, dessen Name jedenfalls aus „gut“ zurückweist. Es mag hierbei auch au das in Oberungarn gebräuchliche „Gödchen“ für Patenkind und an das oberösterreichische „Göd“ ein Taufkind, hingewiesen werden. Goethe spricht im Faust von den „frommen“ Gütchen. In mancher Beziehung hat es Ähnlichkeit mit den Kobolden, welche in Gestalt kleiner Kinder erschienen.



 
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