268. Von einem an eine Stelle festgebannten Sohne. E-Mail

(Moller, Threatrum Freib. Chron. II., S. 221. Br. Grimm, Deutsche Sagen I., No. 231.


Als ein Bürger zu Freiberg, namens Lorenz Richter und seines Handwerks ein Leinweber, welcher auf der Weingasse gewohnet, seinem Sohne von 14 Jahren etwas zu tun befohlen und derselbe nicht gehorcht, sondern in der Stube an derselben Stelle stehen geblieben, hat ihn der zornige Vater verwünscht und gesagt: „Ei stehe, dass du nimmermehr könntest fortgehen!“ Auf diese Verwünschung des Vaters ist der Knabe stehen geblieben, und er hat drei ganze Jahre an derselben Stelle gestanden, so dass er tiefe Gruben in die Dielen getreten, und man ihm des Nachts, wenn er schlafen wollte, ein Pult untersetzte, damit er den Kopf und die Arme darauf legen konnte, um ein wenig zu ruhen. Weil er aber nahe an der Stubentüre beim Ofen den eintretenden Leuten im Anlaufe war, haben ihn die Geistlichen der Stadt durch ihr Gebet von diesem Orte aufgehoben und gegenüber in den andern Winkel der Stube glücklich und ohne Schaden gebracht. An diesem Orte hat er ferner bis ins vierte Jahr gestanden und die

Dielen noch tiefer durchgetreten, als zuvor. Damit ihn die Aus- und Eingehenden nicht so sehen könnten, hat man ihn auf seine Bitten durch einen Umhang verdeckt, er hat wegen steter Traurigkeit nicht viel gesprochen. Endlich hat Gott die Strafe etwas gemildert, indem er das letzte halbe Jahr sitzen, sich auch ins Bette, das man neben ihn gestellt, legen konnte. Er hat ganz elende ausgesehen, ist blass von Angesicht, hagern Leibes und auch sehr mäßigem Essen und Trinken gewesen. Nach sieben Jahren wurde er den 11. September 1552 durch den Tod erlöst. Die Fußtapfen sahe man noch lange an den betreffenden Plätzen, und als sie der Vater nach dem Tode seines Sohnes aussetzen lassen wollte, weil er sich derselben wegen seines Fluches schämte, hat ihm der Rat solches verboten.



 
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