598. Der „letzte Heller“ und die Teufelskanzel am Schottenberge bei Annaberg, E-Mail

(Nach O. Gießler, Sächs. Volkssagen (Stolpen o. I.), S. 128.)


Das Wirtshaus auf dem Schottenberge bei Annaberg wird „zum letzten Heller“ genannt, ihm gegenüber steht man Felsen, von denen einige die Form einer Kanzel haben und den Namen „Teufelskanzel“ führen. Beide Namen werden auf folgende Begebenheit zurückgeführt.

Ein Student von der Prager Hochschule durchwanderte einst die wilde Gegend, wo jetzt die Städte Annaberg und Buchholz liegen. Als er eines Abends an den Fuß des Schottenbergs kam und die Sehma überschreiten wollte, wurde er von einem großen Bären angefallen, vor dem er sich nur durch eilige Flucht rettete. Atemlos und mit blutigen Streifen im Gesichte, welche die Gesträuche geschlagen hatten, erreichte er den Gipfel des Berges und gelangte nach wenig

Schritten zu einem Häuschen, aus dem ihm ein Licht entgegenschimmerte. Von dem Wirte und dessen Frau freundlich bewillkommnet, erholte er sich bald bei Speise und Trank in der wohlerwärmten Stube. Nun hörte er von der redseligen Wirtin, welcher Gefahr er glücklich entgangen sei, denn in dem nahen Walde trieben böse Geister ihr Wesen und der Bär sei wahrscheinlich auch ein solcher gewesen. Nicht weit von ihrem Häuschen befinde sich im Walde ein Kreis von zackigen Felsen, dort solle der Teufel selbst wohnen und einen großen Schatz bewachen.

Als der von dem reichlich zugesprochenen Getränke erhitzte Student von dem Schatze hörte, sprang er auf und wollte einen Kampf mit dem Teufel wagen, um den Schatz zu gewinnen. „Den hebe ich mir“, rief er aus, „denn meinen letzten Heller habe ich bei euch vertrunken!“ Die mahnenden Worte der Wirtsleute halfen nichts, der Student stürmte hinaus nach den bezeichneten Felsen. Dort rief er den Teufel herbei, und plötzlich tauchte eine schwarze Gestalt aus der Finsternis und sprach: „Was willst du?“ Sogleich fiel der Student mit seinem Dolche über den Schwarzen her, doch wurde ihm die Waffe entwunden und in die Felsen geschleudert. Jetzt fasste er seinen Gegner wieder, da zuckte ein Blitz und beim Scheine desselben sah er noch deutlicher die schwarze Gestalt. Entsetzen erfasste ihn nun und bewusstlos stürzte er zwischen den Felsen nieder.

In dem Häuschen aber warteten unterdes die Wirtsleute vergeblich auf die Rückkehr des Studenten. Als sie am Morgen durch das Fenster blickten, sahen sie zu ihrem Schrecken den Teufel auf ihr Haus zukommen. Ehe sie sich noch verbergen konnten, trat derselbe bei ihnen ein und schleppte mühsam den leblosen Studenten mit sich. Wie er die Furcht der Leute erkannte, schlug er ein Kreuz und sprach:

„Fürchtet euch nicht, ich bin ein Mensch wie ihr!“ Und so war es auch. Es war der Schornsteinfeger, welcher auf dem Rückwege von dem Kloster Grünhain von der Nacht überrascht worden und in der Irre gegangen war, bis er sich an den Felsen ein Nachtlager gebettet hatte. Da war er durch den Ruf des Studenten aufgeweckt worden und noch halb im Schlafe war er auf denselben zugegangen. Als ihn dieser aber mit dem Dolche angefallen, erzählte er weiter, habe er sich zur Wehr gesetzt und einen grimmigen Kampf bestanden. Weiter wisse er nichts. Als er am Morgen aus seiner Ohnmacht erwacht sei, habe er blutend neben seinem Gegner gelegen, den er nun mit sich geschleppt. Während dieser Erzählung zeigten sich bei dem Studenten Lebenszeichen und es gelang auch bald, ihn wieder zum Bewusstsein zurückzubringen. Unter der Pflege seiner Wirtsleute erholte er sich, diese gewannen ihn

lieb, und da er selbst gern an dem Orte bleiben wollte, nahmen sie ihn an Kindesstatt an und hinterließen ihm bei ihrem Tode das Haus, welches von nun an nach den vor dem Kampfe mit dem vermeintlichen Teufel von dem Studenten gesprochenen Worten „zum letzten Heller“ genannt wurde. Die nahen Felsen hieß man nach jenem Kampfe die Teufelskanzel. Der ehemalige Student aber heiratete die Schwester des Schornsteinfegers und erfreute sich noch lange eines bescheidenen Wohlstandes.



 
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