725. Die Freiberger Bauerhasen. E-Mail

(H. Gerlach, Kleine Chronik v. Freiberg, S. 90. - Geschäftsanzeige der Bauerhasen-Bäckerei von A. Thümmel in Freiberg.)


Margraf Friedrich der Freidige hielt sich gern in seiner getreuen Bergstadt Freiberg und in der Mitte ihrer Bürger auf. Im Jahre 1292 gab er daselbst ein großes Gastmahl, zu welchem viele weltliche und geistliche Herren eingeladen waren. Unter den letzteren befand sich auch der Abt Bruno aus dem Barfüßler-Kloster. Obschon derselbe oft gegen Unmäßigkeit predigte und behauptete, je mehr ein Mensch faste, um so eher komme er ins Himmelreich, so hielt er für seine eigene Person doch viel aufs Essen und Trinken und trug deshalb einen gewaltigen Schmerbauch vor sich her. Auch bei diesem Festmahle hatte er schon weidlich gezecht, als nach Mitternacht der Hofkoch Bauer einen duftenden Hasenbraten auf die fürstliche Tafel setzte. Schon wollte sich der Markgraf ein Stück davon auf den Teller legen, da rief der Abt ihm zu: „Durchlaucht halten zu Gnaden, es ist soeben ein Fasttag angebrochen, und Ihr wollt euch doch nicht versündigen?“ „Wäre denn wirklich die Sünde so groß, wenn wir zum Schluss noch ein Stück Hasenbraten zu uns nehmen?“ fragte der Markgraf, und der Abt erwiderte: „Gewiss! Ich kenne auf Gottes weitem Erdboden keine größere Sünde. Auch habe ich mehr als einmal bemerkt, dass es Frevlern, die sogar am Feiertage Fleisch essen, sehr übel aus dem Halse riecht. Nehmt euch ein Beispiel an mir, schon seit einer halben Stunde habe ich keinen Bissen mehr gegessen.“ Alle sahen den geistlichen wohlgenährten Herrn betroffen an, schwiegen jedoch, und der Koch musste den schönen Braten wieder abtragen. Obschon er ihn darauf selbst ohne Gewissensbisse verzehrte, so ärgerte er sich doch nicht wenig über den gestrengen Sittenprediger, welchen eine Stunde später sechs Diener in seinen Wagen tragen mussten. Bei einem späteren Gastmahle auf der Burg Freistein traf es sich nun, dass abermals ein Fasttag folgte, und jetzt brachte nach Mitternacht der lustige Koch Bauer wieder einen Hasenbraten auf die Tafel. Da konnte sich nun der Abt nicht enthalten, dem sündhaften Koch eine derbe Strafpredigt darüber zu halten, dass er den Fasttag nicht heilige und einen gottlosen Braten auf die Tafel setze. Der Koch aber sprach behaglich lächelnd: „Nun, das ist ein Hase, den jeder gute Christ am Fasttage essen darf, ohne sich der Sünde zu fürchten!“ Während dieser Verteidigung hatte der Markgraf schon den Hasen angeschnitten und zu seinem Vergnügen bemerkt, dass der scheinbar wohlgespickte Hase nur ein mit Mandeln ausgestattetes Gebäck in der bekannten Form des Bratens war. Da wollte der Strafprediger selbst nach dem Gerichte langen, er erhob sich, verlor aber bei seinem schweren Kopfe das Gleichgewicht und riss dabei alles mit sich von der Tafel herab. Er war auch nicht vermögend, sich selbst wieder aus dem Wirrsal zu erheben, so dass auf Befehl des Markgrafen die Diener hülfreiche Hand anlegen mussten. Das Gebäck erhielt nun den Namen „Bauerhasen“, alle adeligen Herren wollten in der Fastenzeit solche Bauerhasen essen, die auch in den Klöstern nicht verschmäht wurden. Doch wollte man behaupten, auf manchen vornehmen Tafeln habe man aus Versehen auch an Fasttagen ganz ordentliche Krauthasen statt der Bauerhasen aufgetragen. Anfangs nannte man das neue Gebäck auch „ Brunohasen“, allein der Abt protestierte lebhaft gegen diese Bezeichnung und so erhielt es seinen noch jetzt gebräuchlichen Namen zu Ehren seines Erfinders.

Die Bauerhasen aus Freiberg fanden gute Aufnahme an allen deutschen Höfen, wurden sogar kistenweise in fremde Länder gesendet, und auch noch in unsern Tagen verlässt selten ein Fremder die Stadt Freiberg, ohne den Seinen einen Bauerhasen mitzubringen.



 
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