755. Kunigunde Mathesius von Öderan. E-Mail

(Staberoh, Chronik der Stadt Oederan, S. 123 ec.)


Im Jahre 1572 befand sich Kurfürst August mit seiner Gemahlin Anna auf der Augustusburg. Nach wenigen Tagen schon stellten sich bei der Kurfürstin Zeichen ein, welche eine schnelle Abreise bedingten. Sie wünschte sogleich fort und nach Freiberg geschafft zu werden, wohin ihre Frauen, das Nötige zu ordnen, sämtlich vorauseilten. Es

war spät am Abend und eine finstere Herbstnacht, als August und Anna ganz allein diesen nachfolgten. Der kürzere Fürstenweg sollte sie schnell nach Freiberg führen. Allein am Tannichtholze war die Kraft der Kurfürstin am Ende. Der Kutscher wusste jedoch Bescheid und lenkte auf sanftem Feldwege sogleich nach Öderan ein. Hier lag alles nach tags vorher gefeiertem „Mariä Geburtsfeste“ in tiefem Schlafe. Der schwerfällige Wagen bewegte sich langsam bis nach dem Obermarkte herauf, wo an der Ecke eines Hauses, des jetzt Oehme´schen, No. 108, noch ein Lichtlein durchs Fenster leuchtete. Dahin wünschte Anna so heimlich als möglich gebracht zu werden. Der Hauswirt Jakob Mathesius, seines Gewerbes ein Schlosser, war mit seiner Tochter Kunigunde eben von einem Kindtaufsschmause heimgekehrt und letztere vor dem Spiegel beschäftigt, ihren orientalischen Patenschmuck abzulegen, als ein leises aber freundliches Rufen sie vor die Türe lockte. Zwei Worte reichten hin ihr zu sagen, wem und wie sie hier zu helfen habe, mit gewandtem Anstande führte sie die Landesmutter in ihr Schlafzimmer, rief die erfahrene Hausfrau herbei, ordnete die nötige Hausarznei und schwatzte die sich erholende Anna in den ihr so nötigen Schlaf, bei der das kluge Jüngferchen wie bei einer Mutter sorgliche Wache hielt, indes der Landesvater in der Wohnstube sich von dem verblüfften Vater die Wahrheit sagen ließ.

Eine zweistündige Ruhe der gestärkten Fürstin ermutigte diese zu dem Wunsche, sogleich weiter zu reisen und den Gemahl herbeizurufen. Von der Gemahlin unterrichtet, was und wie viel sie dem Mädchen danke, fühlte der Kurfürst sich diesem verpflichtet und hielt der Bescheidenen die volle Börse hin. Mit edlem Stolz aber trat Kunigunde, den Reichtum abweisend, zurück und sagte: „Mir genügt an der ehrenvollen Gnade und dem Heil, das unserm Hause wiederfahren ist, und an der Aussicht“, dabei auf die Kurfürstin deutend, „für diese Gesegnete des Herrn bald vielleicht kniend diesen meinen Dank zu bringen!“ „Sie hat Recht!“ rief, sich erhebend, die Kurfürstin, drängte den Gemahl mit seinem Golde zurück und schloss das edle Mädchen in ihre Arme, den zweideutigen Sinn ihrer Worte recht gut fassend. „An der Wiege meines Kindes wirst du diesen Dank gen Himmel senden, und dahin mich sogleich begleiten!“ Schneller als ihr Entschluss, dieser hohen Gnade und dem gütigen Wunsche zu folgen, waren die Reisekleider der entzückten Kunigunde herbeigeholt und nach wenigen Minuten fuhr sie mit ihren erlauchten Gästen zum Freiberger Tore hinaus, hinab nach Dresden, wo nach 4 Wochen die Überglückliche denselben orientalischen Patenschmuck am Taufpult der neugeborenen Prinzessin trug, welchen sie einst getragen hatte, als ihre hohe Gevatterin vor die elterliche Wohnung geführt wurde.

Die Kurfürstin verheiratete später diese Kunigunde mit einem Freiherrn von Voppelius.



 
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