314. Die Räuberhöhle am Schafteiche bei Glauchau. E-Mail

(Nach Ziehnerts poet. Bearb. b. Gräße a. a. O. No. 580.)


In der Nähe von Glauchau befindet sich der sogenannte Schafteich, der fast eine halbe Stunde im Umfange hat und beinahe den ganzen ebenen Raum zwischen dem Scheerberge, der Mulde und der Lungwitz einnimmt. Nahe bei diesem Teiche befindet sich eine Art Stolln, der weit hinein in die Erde reicht, und den man gewöhnlich die Räuberhöhle nennt. In derselben soll es aber nicht geheuer sein. So erzählt man, dass einst ein armer Hirtenknabe an jener Höhle fast täglich gespielt habe und oft von brennender Neugierde gequält worden sei, einmal hinein zu kriechen, um zu wissen, was denn eigentlich darin sei. Nun getraute er sich aber, so beherzt er sonst auch immer war, doch nicht so recht hinein, weil er den Rückweg zu verfehlen gedachte. Da sah er einmal eine schwarze, goldgesprenkelte Henne in den Eingang kriechen und gackern, gerade als wenn sie legen wolle.

In der Hoffnung ihr Nest zu finden, folgte er ihr einige Schritte, allein bald ward es ihm zu unheimlich und zu finster und so kehrte er wieder um. Da er nun aber die Henne auch die nächsten Tage immer wieder an demselben Orte fand, so dachte er darüber nach, wie ihm wohl die Henne den Weg in das Innere der Höhle zeigen könne. Er nahm also einen starken Knäuel Garn und band der Henne einen Faden desselben an das Bein, und diese zog ihn nun ganz langsam, gerade als ob sie seine Absicht merke, hinter sich in die Höhle. Schon war aber das Garn fast ganz abgewickelt, da sah er auf einmal vor sich ein brennendes Licht. Allein wie ward ihm, als er bemerkte, dass dasselbe aus den Augen eines schwarzen, zottigen großen Hundes mit furchtbarem Rachen und starken Klauen ausströme! Neben demselben stand aber ein Männchen in einem grauen Mäntelchen, das hatte einen großen Sack Geld in der Hand und rief ihm zu, er möge nur näher kommen. Allein der Knabe wagte es nicht und nur erst, als das Männchen ihm nochmals zurief, er könne es ohne Gefahr tun, wagte er es. Hierauf reichte ihm der Graumantel eine Hand voll Taler und sagte, er könne hierher so oft kommen, als er wolle, er solle jedes Mal eine gleiche Summe bekommen, nur dürfe er niemandem sagen, woher er das Geld habe, sonst sei er verloren. Der Knabe fand nun den Rückweg sehr leicht, allein da er niemandem, auch seinen Eltern nicht, sein Glück mitteilen konnte, so blieb ihm nichts übrig, als das Geld zu vernaschen. Dies tat er auch nach und nach, und als dasselbe vertan war, begab er sich wieder in die Höhle und holte sich eine zweite Austage des vorigen Geschenks. Weil nun aber der Knabe gar zu oft bei dem Kaufmanne Näschereien kaufte und stets in blanken Talern bezahlte, schöpfte derselbe Verdacht, das Geld sei gestohlen, und teilte seine Wahrnehmung dem Vater des Knaben mit. Da dieser nun recht gut wusste, dass sein Sohn nicht Pfennige, geschweige denn Taler haben könne, so suchte er erst durch Drohungen heraus zu bringen, woher das Geld sei, und als der Knabe es nicht gestehen wollte, schlug er ihn so lange aufs Unbarmherzigste, bis derselbe alles gestand, aber auch hinzusetzte, dass ihm gewiss sein Brot gebacken sei, weil er das graue Männchen verraten habe. Und so geschah es auch, denn als der Vater am andern Morgen seinen Sohn, der ihm zu lange zu schlafen schien, aufwecken wollte, war er tot, der Böse hatte ihm den Hals umgedreht.



 
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