462. Der Doppelgänger zu Wiesenthal, E-Mail

(Flader, Wiesenthalisches Ehrengedächtniß, 1719, S. 108. Darnach Gräße, Sagenschatz d. K. S., Nr. 500.)


Im Jahre 1709 ist ein kurfürstlicher Geleitseinnehmer, mit Namen A. L., in gewissen Angelegenheiten verreist, da er nun wenigstens zwanzig Meilen entfernt ist, so sieht sein damaliges Hausmädchen, da sie am Abend gegen 5 Uhr von ihrer Frau in ihre Schlafkammer geschickt wird, ihn von ohngefähr in seinem Bette liegen und meint, er sei ohne ihr Wissen nach Hause zurückgekehrt. Sie fragte also die Frau: „Ist der Herr nach Hause gekommen?“ Diese antwortet aber:

„Du wirst ihn ja sehen.“ Daher hat sie sich weiter nicht darum gekümmert. Nachdem nun die Frau selbst des Nachts gegen 12 Uhr schlafen geht, erblickt diese ihn ebenfalls in ihrem Bette, da er sich

denn gerührt, dass es davon geknistert und das Bett ein wenig von sich geschlagen. Welches sie bewegt, dass sie unten um das Bett herumgegangen und ihn angeredet hat: „Ei, mein Kind, wie bist du denn hier? Hast du mich doch erschreckt!“ Da er denn die Beine hinausgeschlagen, aus dem Bette gefahren und unter das Dach, so sich in der Schlafkammer findet, gekrochen, auch daselbst plötzlich verschwunden ist. Die Frau hat sich nun zwar ins Bett gelegt, aber vor großem Schreck die ganze Nacht nicht schlafen können, weil sie nicht gewusst, wie es zugehe, dass sie ihren Mann, der so viele Meilen entfernt war, habe sehen können. Sie hat aber fleißig gebetet, der Herr wolle sie vor Anfechtung bewahren. Als ihr Mann nun wieder nach Hause gekommen, hat er erzählt, er sei an jenem Tage gerade bei einem Jäger gewesen, der ihn sehr wohl traktiert und mit Braten, Kuchen und Wein bestens bewirtet, da habe er immer an seine Frau gedacht und gewünscht, dass sie solches auch mit genießen möge.



 
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