758. Der treue Rat von Freiberg. E-Mail

(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Pros. Anhang, No. 8.)


Die Söhne Friedrichs des Streitbaren, Kurfürst Friedrich und Herzog Wilhelm, hatten über ihre Länder einen Teilungsvertrag geschlossen, nach welchem die Stadt Freiberg beiden zugleich angehörte. Als nun zwischen den beiden Brüdern der Krieg ausbrach, welcher gegen sechs Jahre währte, da war die arme Stadt oft in Kümmernis, denn zwei Herren, die sich befehden, durch Treuschwur zugleich untertan zu sein, das ist gar ein schlimmes Ding. Im Jahre 1446 kam Kurfürst Friedrich, vielleicht nur, um die

Treue der Bürger zu erproben, mit starker Heeresmacht nach Freiberg, hielt auf dem Markte Lager mit seiner Ritterschaft und ließ durch einen Herold ausrufen, „dass der Rat und die Bürgerschaft bei Verlust Gutes und Lebens ihm allein huldigen, seinen Bruder verschwören und wider denselben ihm zu Hülfe thun sollten.“ - Da gingen die Herren des Rates zusammen und hielten voller Ängsten einen Rat, was zu beginnen sei und konnten nichts Erfreuliches ersinnen, denn entweder sie mussten den Treuschwur am Herzog Wilhelm brechen, oder die Stadt war der Zerstörung durch den Zorn des Kurfürsten Friedrich gewärtig. Also waren sie in großen Nöten, wählten aber dennoch das beste Teil. - Als der Herold zum dritten Male rief, gingen sie barhäuptig, je zwei und zwei, vom Rathause auf den Markt, jeder seinen Sterbekittel am Arme tragend, und traten vor den Kurfürsten, um den seine Ritter einen Kreis geschlossen hatten. Nikol Weller von Molsdorf, der Bürgermeister, aber nahm das Wort und sprach: „Wir und die ganze Stadt sind so bereitwillig als schuldig, Euch, unserm gnädigsten Herrn, unterthänigst zu gehorsamen, und ist uns gegenwärtige Trennung unserer beiden Fürsten ein herzliches Leidwesen, aber weil wir dem Herzog Wilhelm, Eurem Bruder, mit gleichen Pflichten verhaftet und solcher von ihm noch nicht entlassen sind, also auch mit gutem Gewissen keinem Teil Schaden zufügen können, so bitten wir um Gotteswillen, Ihr wollet uns doch dabei lassen und zu keinem Widrigen zwingen. Wenn es nicht gegen den Bruder ginge, so wollten wir gern Leib, Ehre und Gut für euch zusetzen, aber dafern Ihr, was Gott verhüte, in uns dringen wollt, so gedenken wir lieber zu sterben, als uns in solche Seelengefahr zu stürzen, und ich will gern der Erste sein und mir meinen alten, grauen Kopf abhauen lassen!“ Durch diese Rede erweicht, warf der Kurfürst sein Ross herum, ritt zu Wellern, klopfte ihm auf die Achsel und sagte freundlich: „Nicht Kopf weg, Alter! Nicht Kopf weg! Wir bedürfen solcher ehrlicher Leute noch länger, die ihr Eid und Pflicht also in acht nehmen!“ - Hierauf lobte er die Treue der Stadt und ermahnte die Ratsherren und Bürger, darinnen zu verharren und furchtlos zu sein, denn er stehe gern ab von seinem harten Begehren.



 
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