182. Das Holzweibchen im Schönecker Walde. E-Mail

(Illustrirtes Familien - Iournal. VI. No. 157.)


Da droben im Schönecker Walde lebte vor Jahren ein Holzhauer, ein braver, stämmiger Bursche, der aber trotz rastloser Tätigkeit kaum soviel verdienen konnte, um eine alte kranke Mutter und ein paar kleinere Geschwister zu ernähren. Es ging immer knapp her, und doch musste hie und da noch ein Groschen für ein rotes Band oder etwas dergleichen abfallen, womit der Bursche die Tochter des Nachbars beschenkte. Die jungen Leute waren einander gut, aber ans Heiraten durften sie noch lange nicht denken, denn es fehlte ihnen ein eigenes Hüttchen, und die Wohnungen der Ältern hatten nicht Raum für einen neuen jungen Hausstand. Da entschloss sich der Bursche schweren Herzens, ein paar Jahre hinaus in die Welt zu wandern und sich irgendwo zu vermieten, bis er sich das Nötige verdient haben würde. Als er bald darauf durch den grünen Wald zog und trübe Bilder der nächsten Zukunft in seiner Seele auftauchten, da sprang plötzlich vor ihm ein kleines graues Mütterchen mit einem Körbchen Reisig aus dem Gebüsche, und wie gehetzt lief es auf ihn zu und bat flehentlich, er möge schnell in eine niedergebrochene Fichte, die just über den Weg lag, drei Kreuze schneiden, der wilde Jäger sei ihr auf dem Fuße und der sei ihr Feind und werde sie töten. Das alles war das Werk eines Augenblicks, und alsbald hatte der

Bursche auch mit seinem Messer die drei Kreuze in den Baumstamm geschnitten, und war selbst mit dem fremden Weibchen darunter gekrochen, als auch schon das wilde Heer ankam. An den drei Kreuzen aber hatte die Macht des wilden Jägers eine Schranke, er zog fluchend und wetternd zurück und das Holzweibchen war gerettet. Dasselbe gab seinem Helfer einen grünen Zweig aus seinem Körbchen, dankte gar geheimnisvoll und - war verschwunden. Dem Burschen war´s noch ganz wirbelig und drehend im Kopfe von all dem Spuk, aber so viel war ihm doch klar, dass das graue Mütterchen, wenn es einmal etwas schenken wollte, sich schon ein wenig mehr hätte angreifen können. Missmutig wollte er den Zweig wegwerfen, besann sich aber doch noch und steckte ihn zum Andenken an das sonderbare Erlebnis auf seine Mütze. Wie er nun frisch weiter schritt, da ward ihm sein Mützlein immer schwerer und schwerer, und als er es endlich abnahm, da war der Zweig gewachsen, und was war´s überhaupt für ein Zweig geworden? Gelbe glitzernde Blätter waren dran, und wuchsen immer noch mehr, dass ihm schier Sehen und Denken und am Ende die Lust, weiter zu wandern, verging. Er kehrte um, ohne eigentlich zu wissen, warum, und war noch vor Abend wieder daheim. Was die alte Mutter sich wundern mochte! Der Tochter des Nachbars aber war´s eben recht, denn: Wiederkommen bringt Freude. Der wilde Jäger hatte wohl Ursache, das Holzweibchen zu verfolgen, denn dasselbe hatte in seinem Garten von dem wunderbaren Goldbaume sich ein Körbchen der besten Zweige geholt. Davon hatte nun der Bursche einen bekommen und der trieb immer neue Blätter. Die Blätter schüttelte unser Holzhauer ab und verkaufte sie in den Städten, wo sie noch heute von den schönen Damen als Schmuck getragen werden. Nun konnte er seines Nachbars Kind heiraten, und sie mögen sich wohl auch ein gar hübsches Hans gebaut haben. Das Goldbäumchen aber ist mit der Zeit eingegangen, vielleicht hat sich’s auch das Holzweibchen wieder geholt, vielleicht auch der wilde Jäger selber.


Auch Christ. Lehmann erzählt im Histor. Schauplatz, dass sich die Holzweibchen in ihrer Gutmütigkeit und um die Menschen glücklich zu machen, zuweilen an dem zauberhaften Baume im Garten des wilden Jägers vergreifen, dass sich aber die von ihm abgebrochenen Zweige und Blätter in Gold verwandeln. Deshalb werden nun die wilden Weibchen vom Satan, d. h. dem wilden Jäger verfolgt.



 
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