(Spieß, Aberglaube, Sitten ec. des sächs. Obererzgebirges. Programmarbeit. Dresden 1862, S. 14, z. T. mündlich.) Am Johannesabende in der sechsten Stunde kommt der sogenannte Getreideschneider, der über die Ecke eines Stückes Getreide durchschneidet, von welchem er dann, wenn der Bauer drischt, den vollen Nutzen hat. Um diesem vorzubeugen, nimmt der Bauer Liebstöckelöl (Öl aus Levisticum officinale) und macht, nachdem er den Finger in das Öl getaucht, ebenfalls in der sechsten Abendstunde des Johannestages, drei Kreuze an jede Ecke des Feldes auf die Erde. Ist aber der Getreideschneider bereits dagewesen, so hängt der Bauer, bevor er das Getreide einfährt, ein Büschel Reisigspitzen (frischgrünende Tannenzweige) über dem Scheunentor auf, drischt sobald als möglich und macht dabei mit dem Reisigbüschel den Anfang. Dann ist der Bann gelöst und der Getreideschneider zieht keinen Nutzen.
In Thierfeld geht die Sage, dass in der Mittagsstunde des Walpurgistages die Vogelbeerbäume und Feldfrüchte von dem Getreideschneider beschnitten würden, ohne dass man ihn sieht. Auch in Thüringen hat man ein ähnliches Mittel, um den Getreideschneider, den man daselbst, sowie im Vogtlande, Bilmschnitter nennt, zu erkennen. Man belegt die Tenne mit sieben Reisigbündeln und bearbeitet dieselben mit dem Dreschflegel, die Person nun, welche während dieses Dreschens an das Scheunentor tritt, wird für den Bilmschnitter gehalten. (B. Sigismund in „Aus der Heimat“, l862, No. 13.) - In Süddeutschland heißt der Bilmschnitter „Bilwitzschneider“, und dieser Name erinnert an den slawischen Pilwitz oder Plon, den Gott des Reichtums und zugleich des Todes. Auch die „Pilweisen“ der schlesischen und Lausitzer Sagen sind Kobolde oder von Kobolden besessene Menschen, die andern Schaden zufügen. In einer Sage von den Pilweisen zu Lauban tritt ein schwarzer Bock auf, da derselbe aus den Teufel hinweist, so verbindet sich mit den weiblichen Pilweisen (und mit dem Bilmschnitter?) der Begriff der Hexen. - Da die Sagen von gespenstischen Tieren im Kornfelde mit denen vom Bilmschnitter in einer gewissen Verbindung stehen, so erklären sich dadurch vielleicht auch die im Erzgebirge vorkommenden Bezeichnungen „Stoppelhahn“ (jetzt allerdings nur in der Bedeutung eines Festes am letzten Erntetage gebraucht) und „Panzelhahn“. Der letztere Ausdruck erinnert an die oben angeführte Sitte des Reisigbüscheldreschens, denn wenn beim Dreschen des Getreides der letzte Schlag fällt, so ruft man demjenigen, welcher diesen Schlag getan hat, zu: „Du hast den Panzelhahn geschlagen!“ |