202. Vom törichten See bei Satzung. E-Mail

(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz. 1699, S. 205. ec.)


Der törichte See, eine halbe Meile über Satzung an einem wilden, mit jungen Kiefern bewachsenen rauen Orte, ist ins Gevierte 30 Schritte breit und lang, der Pfuhl ist mit rotem Moos bewachsen, und das Wasser gehet einer Elle hoch darüber ohne Abfluss. Der See soll unergründlich sein, und niemand machet sich gern allein an den Ort, weil die Leute, welche sich im 30jährigen Kriege dorthin geflüchtet, daselbst viel Anfechtung gehabt haben. Es ist umher auf eine halbe Meile lang nichts als eitel sumpfiges Land, dass auch kein rechter Baum darauf wachsen kann, es verzimmert und verbuttet alles. Insonderheit erzählen die Umherwohnenden, dass sich bisweilen viel ungeheure

Dinge und Gespenster da sehen lassen. Als einstmals Veit Vogel, ein Mann von Satzung, in selbiger Gegend Vogel gestellet, habe er von 9 Uhr an bis 12 Uhr mittags einen großen Tumult und Alarm von Jauchzen, Schreien, Geigen und Pfeifen gehört, dass es nicht anders geschienen, als würde eine volkreiche Bauernhochzeit oder ein lustiger Schmaus in dem See gehalten, dergleichen Freudentöne haben auch andere zu anderer Zeit gehört.

Ein Mann von Sebastiansberg, Georg Kastmann genannt, hat in derselben Gegend Feuerholz gemacht, zu diesem kam ein schöner Reiter auf einem großen Pferde mit einer langen Spießrute in der Hand, welcher den Holzhauer grüßte und fragte, ob er den törichten See wüsste. Da der Holzhacker mit Ja antwortete, hat ihm der Reiter ein Trinkgeld versprochen, wenn er mit ihm ginge und den Ort zeige. Da sie nun beide hinzu kamen, ist der Reiter vom Pferde gesprungen und hat gesagt: „Ich bin ein Wassermann, und ist mir mein Weib von einem andern Wassermanne entführt worden, die habe ich in der weiten Welt in vielen Wassern und Seen gesucht und doch nicht gefunden, und soll sie nun an einem so garstigen und wilden Ort finden? Halt mir mein Pferd fest, dass es mir nicht nachspringt, ich will hinein und mein Weib heraus holen.“ Darauf hat er mit seiner langen Rute in das Wasser geschlagen, dass es sich zerteilet, dann ist er hineingegangen. Sobald er aber darin gewesen ist, hat sich ein so großes jämmerliches Geschrei und Wehklagen erhoben, dass der Holzhacker nicht wusste, wo er vor Angst bleiben sollte, weil sonderlich das Pferd sehr wild und ungebärdig wurde und immer ins Wasser springen wollte. Mittlerweile ist unter diesem Tumult das Wasser ganz rot geworden und da hat der Reiter sein Weib heraus gebracht und gesagt, er habe sich nunmehr an seinem Feinde gerächt und den Räuber, der ihm sein Weib entführt, erwürget. Damit hat er sich samt seinem Weibe aufs Pferd geschwungen und ist davon geritten, doch hat er zuvor dem Holzhacker ein Beutelein, darin ein Kreuzer gewesen, zum Trinkgeld verehret, mit dem Versprechen, so oft er würde in diesen Beutel greifen, sollte er soviel, als jetzt darin wäre, finden. Der Ausgang hat es auch bestätigt, so dass der arme Mann viel Geld zusammengebracht, weil er oft in den Beutel gefühlet. Da er aber den Beutel zu frei und sicher gebrauchte, ist er ihm entwendet worden, doch hat der Räuber keinen Genuss davon gehabt.



 
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