285. Der Schatz auf dem Greifensteine sommert sich. E-Mail

(1. Mündlich. II. Moritz Spieß, Aberglaube, Sitten und Gebräuche des sächs. Obererzgebirges. Programmarbeit. 1862, S. 40.)


I. Eines Tages gingen zwei Mädchen durch den Wald, in welchem der Greifenstein liegt, sie hatten Streu gesammelt und trugen dieselbe in ihren Tragkörben nach Hause. Als sie nun auf einem schmalen Wege die Höhe abwärts stiegen, sahen sie an den Zweigen der Fichten zu beiden Seiten Strohhalme hängen. Darüber wunderten sie sich, denn sie meinten, dass hier doch kein Weg für Wagen sei, es sah nämlich aus, als ob von einem mit Stroh beladenen Wagen durch die zum Teil über den Weg hängenden Zweige einzelne Halme losgerissen worden seien, wie man solches ja häufig an den mit Bäumen besetzten Landstraßen sieht. Wie die Mädchen aber nach Hause gekommen waren und ihre Streu ausschütteten, fanden sie darunter eitel goldene Ketten. Der Schatz des Greifensteins hatte sich in der Gestalt von Strohhalmen an diesem Tage gesommert und so waren einzelne Halme in die Körbe gefallen, wo sie sich in die goldenen Ketten verwandelt hatten.


II. Als der früher in Ehrenfriedersdorf angestellte Förster Töpel eines Tages bei dem Greifensteine vorbei ritt, hingen so viel Gras- und Strohhalme von den nahen Bäumen herab, dass er kaum hindurchreiten konnte. Dabei blieben einige Halme auf seinem Hute liegen. Als er daheim seinen Hut abnimmt, hat er um denselben eine goldene Kette. Es soll noch ein Stück von dieser Kette vorhanden sein.


Henne-Am-Rhyn (Die deutsche Volkssage, S. 49 und 52) deutet die Schätze der Sage als Sinnbilder der Sterne, sie bewegen sich und versinken wie letztere. Dass Schätze au gewissen Tagen aussteigen, um sich zu sonnen, erzählen noch mehrere Volkssagen, als einst Steinbrecher auf dem Schlatter Rehberge bei Bingen von ferne einen schimmernden Hausen liegen sahen, sagten sie: „Heute ist der erste März, da sonnen sich die Schätze.“ Tönerne Scherben, welche dann einer von ihnen an jener Stelle fand, verwandelten sich zu Hause in zerbrochene Silbermünzen. Nach einer andern Sage steigen Schätze an Märzfreitagen aus dem Boden, um sich zu sonnen, dabei wird ihre Ankunft vielfach durch eine blaue Flamme verkündet. Die Schätze werden auch von Geistern unter der Erde fortgerückt. (Nork a. a. O., S. 709,)



 
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