397. Der geplagte Polizeidiener. E-Mail

(Jugenderinnerung eines gebornen Nossners.)


Bis gegen Ende der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts befand sich die Stadtwache zu Nossen in einem am Obermarkte gelegenen, der brauberechtigten Bürgerschaft gehörigen, jetzt aber abgebrochenen

Brau- und Malzhause, vor dessen Ostseite zwei schöne Linden standen. Dort wohnte einmal ein Polizeidiener, ein altgedienter Soldat. Wenn nun in der Stadt ein schwer Kranker nicht „ersterben“ konnte, erschien sein Geist des Nachts dem Polizeidiener und nötigte ihn zum Aufstehen aus dem Bette. Der musste sich nun vollständig in Uniform kleiden und mit umgehängtem Säbel den Geist bis an die Haustüre begleiten, worauf dieser verschwand. Der Polizeidiener pflegte manchmal zu sagen: Diese Nacht ist der oder die bei mir gewesen, und darauf hörte man bald auch von ihrem Ableben.

Still und mürrisch, wie er war, musste er sich oft vom Bürgermeister ausschelten lassen. Das hörte er in Positur ernsthaft an und sprach dann, als wenn er schwerhörig sei: „Schön, Herr Bürgermeister, ich werd´s ihm sofort sagen.“ Da musste der Bürgermeister immer lachen und das gute Einvernehmen war wieder hergestellt.



 
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