433. Perlenschoten in Wiesenthal. E-Mail

(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 481.)


Wahrhaftig ist´s, was sich mit gewachsenen Perlenschoten zu Neustadt-Wiesenthal im Jahre 1626 zugetragen. Nach dem großen

Sterben selbiger Zeiten wohnte in gedachtem Bergstädtlein Michael Rohdörfer, ein Exulant aus Lutitz in Böhmen, welcher mit seinem Weibe und sieben kleinen Kindern wunderbarer Weise den Religionsfeinden entkommen. Sein Töchterlein von sieben Jahren hatte vom Schutthaufen eines ausgegrabenen alten Kellers etliche Kapsamen-Strünklein ausgelesen und in des Vaters Garten gesteckt. Da nun solche wohl fortgekommen und gereifet, nimmt sie die Schötchen ab und klopfet sie aus, findet aber mit Verwunderung weiße Körnchen, die sie, unwissend was es sei, dem Vater weiset und spricht: „Ja, Vater sehet, was find ich für Patterlein?“ Der Vater kennets, dass es rechte Perlen, suchet und findet sie in den Schötchen selbst, also, dass je nach zwei Samenkörnchen eine wahrhafte Perle lag, und sammelten sie dieses Samens und der Perlen ein Käsnäpfchen voll. Viel Edelleute, die sich damals in Wiesenthal als Exulanten aufhielten, habens selbst in Augenschein genommen, auch einige dieser Perlen dem Töchterlein abgeschwatzt und als Rarität aufgehoben. Eine Gräfin von Hauenstein kam von Annaberg, hielt mit der Karosse vor des erwähnten Exulanten Tür, breitete ihr Haartuch auf den Schoß und bat, das Mägdlein sollte ihr einige Samenschötlein aufmachen, welches auch geschah, und sie fand, dass es wahrhaftige Perlen waren. Sie versprach darauf, wenn der Vater einwilligen wollte, dieses glückselige Kind auf- und anzunehmen. Endlich machte die Gräfin etliche Schoten eigenhändig auf, aber die Perlen zerschmolzen ihr unter den Fingern, wie es auch zuvor andern Leuten, die sie selbst aufgemacht, begegnet war. Darauf sagte sie: „Ei, so ist’s eine sonderbare Gnade von Gott, derer wir nicht würdig sind.“ Ein frommer Edelmann aus Böhmen, der auch daselbst im Exil lebte, ließ den Vater mit allen sieben Kindern vor sich kommen, betrachtete und befand das Wunder augenscheinlich und kleidete die armen Kinder alle neu.



 
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