434. Brot wird aus weißer Erde gebacken. E-Mail

(Moller, Theatrum Freib. Chr. II, S. 364. Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, Nr. 12,)


Im Jahre 1590 fand ein armes Hirtenmädchen, welches bei der herrschenden großen Dürre viel Hunger leiden musste, zwei Meilen von Freiberg einen weißen Gang einer guten Spanne dick. Derselbe sah wie Mehl aus und sie nahm etwas davon mit nach Hause und buk Brot daraus. Darauf geschah von anderen armen Leuten ein großer Zulauf, das weiße Mehl wurde ausgegraben und ebenfalls verbacken.

Ein solches Brot wurde auch nach Freiberg gebracht und aufs Rathaus geliefert, es schmeckte gar süßlich und roch ein wenig nach Brot. Nach einer andern Volkssage hackte im Jahre 1590, da große Teurung war, ein frommer Mann aus Freiberg ohnweit der Stadt in einer Lehmgrube. Er hatte daheim eine zahlreiche Familie hungrig verlassen und gedachte mit Tränen, wie unzureichend das Brot sein würde, welches er für die wenigen Pfennige Tagelohn am Abend würde kaufen können. „Ach Gott!“ Rief er, die nassen Augen zum Himmel gewendet, „du kannst Großes tun, o gib mir und den Meinen, dass wir nicht verhungern dürfen!“ Da fielen plötzlich große Stücke einer schönen weißen Masse unter den Schlägen seiner Hacke aus der Lehmwand hervor. Wie erstaunte der gute Mann, als er sie genauer betrachtete und sah, dass sie beim Angreifen zu Mehl wurden, welches gutem Brotmehl an Ansehen, Gewicht und Geschmack ganz gleich war. Nicht länger zweifelte er, dass Gott durch diese seltene Masse ihm wunderbar helfen wolle, lud ohne Säumen seinen Schiebkarren voll solcher Mehlklumpen und fuhr damit nach Hause. Ehe der Abend kam, hatte er eine ziemliche Anzahl Brote daraus gebacken, welche sehr schmackhaft waren und wie Veilchenwurzel dufteten. Bald wurde die Mähr von dem wunderbaren Mehle bekannt und noch viele arme Leute in Freiberg und der Umgebung suchten in den Lehmgruben nach der belobten weißen Masse, welche sie auch fanden und zu Brot backen und genießen konnten, nämlich, wenn sie fromm und gut waren. Denn nur wenn arme rechtschaffene und gottesfürchtige Leute das Mehl als eine Gabe Gottes ausgruben und mit Danksagung verbrauchten, blieb es gutes und brauchbares Mehl, wenn es aber Spötter und Gottlose in die Hände nahmen, ward es zu Sand und zu Stein.



 
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