451. Der Fallsüchtige in der Kirche zu Annaberg. E-Mail

(Nach der poet. Bearbeitung von Ziehnert bei Gräße, Sagenschatz ec., Nr. 511.)


Am 26. Juli des Jahres 1519 ward die St. Annenkirche in der Stadt Annaberg durch den Bischof von Meißen, Johann VI., geweiht und bei dieser Gelegenheit ereignete sich folgende wunderbare Begebenheit, welche durch ein, wahrscheinlich von Lucas Cranach gemaltes Bild, das sich am Grabmonumente L. Pflocks, eines reichen Bergherrn, der bei diesem Vorgange zugegen war, befindet, noch heute im Andenken erhalten wird. Als nämlich die Prozession, bei der sich auch Herzog Georg von Sachsen befand, an der Pforte der Kirche angelangt war und der Bischof sich anschickte, dieselbe einzuweihen, sah er plötzlich einen zerlumpten Bettler, der sich in epileptischen Zuckungen auf der Erde herumwälzte, vor sich. Da erhob sich in der Seele des geistlichen Herrn der Verdacht, die Krankheit dieses Elenden sei nur eine verstellte und derselbe benutze dieselbe bloß, um bei dem heutigen hohen Feste das Mitleid der Anwesenden zu erregen. Er hob also die Rechte zur Benediktion, schlug ein Kreuz über den Bettler und sprach mit laut erhobener Stimme: „Bist du wirklich krank, so helfe dir der Herr, verstellest du dich aber, so strafe er dich!“ Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so geschah es, dass die von dem Bettler vorgegebene Krankheit zur Wirklichkeit ward, ein fürchterliches Geschrei verkündete ihr Dasein und mehrere starke Männer waren jetzt kaum im Stande, den Unseligen in seinen Zuckungen zu bändigen und auf die Seite zu bringen.



 
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