742. Die heldenmütige Herrin des Schlosses Hartenberg. E-Mail

(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung 1882, S. 26.)


Zur Zeit der Hussitenkriege lebte auf dem Schlosse Hartenberg, umgeben von nur wenigen Getreuen und unter der Obhut einer alten Dienerin Zdenka von Hartenberg, eine schöne achtzehnjährige Jungfrau. Seit einer Reihe von Jahren mutterlose Waise, entriss ihr auch das Schwert eines wütenden Taboriten vor kurzem den Vater, und ihr nächster Anverwandter, Jodok von Pichlberg, ein eifriger Utraquist,

den sie um männlichen Schutz und Beistand anflehte, wollte oder konnte solchen nicht leisten, sondern riet ihr, der neuen Lehre beizutreten und so aller Gefahren überhoben zu sein. Das mochte Zdenka nicht. Getreu den frommen Lehren ihrer verklärten Mutter hing sie mit kindlichem Glauben und Vertrauen der katholischen Kirche an und setzte, da ihr kein Freund mehr auf der Welt blieb, das feste Vertrauen auf Gott, den mächtigen Beschützer der Bedrängten und Verlassenen. Daneben vergaß sie auch nicht, an das Ehr- und Pflichtgefühl ihrer Untertanen zu appellieren, versah die Burg mit Lebensmitteln, ließ die Mauern, Streittürme und Basteien ausbessern und einen größern Vorrat des schon damals im Gebrauche stehenden Schießpulvers herbeischaffen, um die einzigen Waffen der Burg, zwei Doppelhaken, in Verwendung nehmen zu können, kurz, ordnete alles mit männlicher Umsicht und Entschlossenheit an, was zur Verteidigung ihres väterlichen Erbes dienen konnte.

Die Vorsicht war nur zu wohl gerechtfertigt. In einer finstern Nacht rötete sich der Himmel von mächtigen Feuersäulen, die aus den benachbarten, von den Hussiten in Brand gesteckten Dörfern emporstiegen, und ein beträchtlicher Taboritenschwarm, angelockt von dem reichen ungeplünderten Gute und der ihrer Meinung nach sehr schwach oder gar nicht verteidigten Burg, stand bald vor den Toren Hartenbergs, mit rauen, grimmigen Worten Einlass begehrend und mit drohenden Mienen zur Übergabe auffordernd. Da beides verweigert wurde, schrien hunderte von Stimmen nach Sturm, Pfeilen und Pechkränzen und vermengten ihre Rufe mit tausend Verwünschungen und Flüchen.

Zdenka ließ die Feuerschlünde donnern, ein Steinregen fiel auf die Schädel der Stürmenden, heißes Pech troff auf sie herab, und viele der blutdürstigen Taboriten, welche versuchten, die Burg in Brand zu stecken, den Torgraben mit Steinblöcken zu füllen, die Mauern zu ersteigen, sanken zerschmettert zu Boden. - Die grause Nacht verging und der neue Morgen sah neue Stürme, neue angestrengte Versuche, die Burg zu Falle zu bringen. Umsonst, das tapfere Häuflein der Eingeschlossenen, angespornt durch Wort und Tat ihrer edlen Gebieterin, sowie die starken Mauern, die tiefen Gräben und die treffliche Lage der Burg spotteten aller Versuche der Hussiten, so dass diese beschlossen, die Belagerten durch die Macht des Hungers zur Übergabe zu zwingen. Die Lage Zdenkas und ihrer Getreuen wurde nun mit jedem Tage furchtbarer, Mutlosigkeit riss ein, die Lebensmittel nahmen immer mehr ab, die bleiche Krankheit mit der hohläugigen Not erschienen in der Burg als unwillkommene Gäste, kein Ersatz war zu erwarten, denn

das verzagte Landvolk, welches eine gegen die Wasserseite ausgesteckte Notfahne herbeirufen sollte, hatte die schwer heimgesuchte Gegend verlassen. - Als die Not aufs höchste gestiegen war, begab sich die bemitleidenswerte Jungfrau in die Burgkapelle, weilte dort auf den Knien liegend lange, bange Stunden und fasste daselbst, gestärkt durch ein inbrünstiges Gebet, einen bewunderungswürdigen, heroischen Entschluss, der, als sie wieder unter ihre Leute getreten war, ihren Augen einen eigenen Glanz, ihren Zügen eine stille Ruhe und Resignation, ihrem ganzen Wesen eine heilige Weihe gab. Ein Knecht musste die letzte Nahrung, ein Rehviertel, vor den Turm werfen, ein anderer ins Horn stoßen und den Anführer der erbitterten Belagerer herbeizurufen. Dieser erschien, und Zdenka rief hinab: „Unter gewissen Bedingungen will ich die Burg übergeben, obwohl, wie Ihr an dem Wildbret sehen könnt, keine Not mich dazu zwingt. Erstlich werdet Ihr meine Getreuen mit Hab und Gut frei und ungehindert abziehen lassen.“ „Nur euch nicht, holde Frau“, unterbrach sie der Rohe, „sonst mag das ganze Gesindel das Weite suchen.“ „Ich bleibe in der Burg meiner Väter, solange ich lebe!“ rief Zdenka leuchtenden Blicks und fuhr hierauf fort: „Dann werdet Ihr Euch nicht eher dem Tore nähern, bis meine Leute den Platz gänzlich verlassen und die Stätte jenes Vorwerks erreicht haben. Zuletzt beschwöret mir, falls Ihr ein Christ seid, die genaue Befolgung des Versprechens.“ „Ich schwöre“, tönte es von den Lippen des Kelchners, „aber glaubt nur nicht“, setzte er bei, „dass Ihr mir entwischen könntet.“ - Zdenka ordnete nun den Abzug ihrer Diener an, dankte ihnen für alle bewiesene Treue und gehorsam geleisteten Dienste, verteilte ihre Kleinodien und Kostbarkeiten unter sie und tröstete die in Tränen Aufgelösten damit, dass ihr der wilde Hussitenführer wohl freundlich entgegenkommen werde.

Die Fallbrücke rasselte herab, sechszehn bleiche und abgezehrte Männer mit der alten, weinenden Wärterin schwankten heraus, und nicht lange darnach stürzten die nach Beute lechzenden Taboriten mit ihrem Anführer an der Spitze, welcher die Jungfrau suchte, in die Burg. Allein wie vom Blitze gerührt blieb die wilde Rotte am Eingange einer Halle stehen und starrte mit stummen Entsetzen auf das ihr sich darbietende Bild. Dort in der Mitte des Gemaches stand Zdenka, bräutlich geschmückt, Entschlossenheit in Mienen und Gebärden, Hoheit und Würde in Haltung und Stellung zeigend. In ihrer Rechten loderte, Unheil und Verwüstung drohend, eine Fackel mit blutigrotem Scheine, und mit dem Zeigefinger ihrer Linken deutete sie auf ein vor ihr stehendes Pulverfass. - Todesschauer schien die Kelchner gelähmt zu haben, und dieser wollte auch dann nicht von ihnen weichen, als

ein brausendes Getöse sich gegen die Burg hinanwälzte, und endlich ein Haufen sich gesammelten, bewaffneten Landvolkes, entrüstet über die unmenschliche Verheerung ihrer Heimat, angefeuert durch die Not der verlassenen Jungfrau, zum Entsatze herbeieilte und die blutdürstigen Räuber mit leichter Mühe überwältigte. Zdenka stand noch immer, wie ein Engel des Todes, drohend vor der Pulvertonne. Erst als sie sich gerettet sah, fiel sie, inbrünstig dem Himmel für ihre Rettung dankend, auf ihre Knie. Die ruhmwürdige Jungfrau hätte eher die Burg in die Luft gesprengt, als sich den Taboriten ergeben, da sie voraussah, dass Entehrung und grausame Behandlung ihrer warte.



 
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